Heimatgeschichte zum Anfassen - Stempel im Ausweis, Kontrollen und gewitzte Musiker
Zuspruch zum Tag des Denkmals auch am Mauerrest zwischen Heinersdorf und Welitsch
Stempel im Ausweis, Kontrollen und gewitzte Musiker
Föritztal/Heinersdorf. „Da fackeln wir nicht lange. Im Lauf der Woche gibt es einen Einsatz und die Büsche werden zurückgeschnitten. Dann sieht man das Denkmal wieder gut“, sind sich Andreas Meusel, Bürgermeister von Föritztal, und Stefan Heinlein, sein Kollege aus Pressig, mit Enzo Bacigalupo einig.
Die drei Männer vom Vorstand des „Fördervereins Gedenkstätte Heinersdorf-Welitsch“ nutzten die Teilnahme am diesjährigen Tag des Denkmals, um gleich ihre nächste Aktion zu organisieren. Der Gedenkstein erinnert an die Freude über die friedliche Überwindung einer Grenze, die die beiden Dörfer von 1952 bis 1989 getrennt hatte.
Seit 1995 gibt es diesen Verein und je mehr Jahre es werden, die seit der Wende zurückliegen, desto mehr verblasst die Erinnerung - wenn man nichts dagegen tut. Das denken jedenfalls die Mitglieder und engagieren sich dafür, dass das Sichtbare und die Erinnerungen an die Umstände lebendig bleiben.
Das Sichtbare sind die 30 Meter Mauer von einst 750 Metern, die 1982 errichtet wurden, damit die Heinersdorfer ja nicht mal
mehr zu den Welitschern rüber schauen konnten. Das Sichtbare sind der tiefe Graben als KFZ-Sperre und die eiserne
Sperre über den Bach Tettau, damit auch niemand im Wasser vom Osten in den Westen gelangte.
Mit den Besuchern tauschten sich die Vereinsmitglieder über die „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ - so das Motto
des Denkmaltages - intensiv aus, denn fast jeder hatte dazu eine Beziehung. Wie es war, als man im Personalausweis regel-
mäßig seinen Stempel bekam, wenn man in der Sperrzone lebte, berichtete ein Ehepaar aus Spechtsbrunn. Ein anderer
Mann erinnerte daran, dass jeder, der per Bus zur Arbeit die einzige Straße gen Sonneberg nutzte, früh wie abends an der
Kontrollstelle den Ausweis zeigen musste – selbst wenn sich Einwohner und Grenzpolizist gut kannten.
Andreas Meusel sprach in seinem kurzen historischen Abriss unter anderem von der Zwangsaussiedlung im Juni 1952. Da sollten auf
Anweisung der Behörden 130 Menschen innerhalb eines Tages ihre Habseligkeiten packen und weit entfernt evakuiert werden.
Dramatische Szenen hätten sich abgespielt und für viele Heinersdorfer sei die Flucht nach Welitsch und Friedersdorf der
einzige Ausweg gewesen.
Dramatisch, aber erfreulich und euphorisch, sei es dann auchim November 1998 zugegangen. Meusel erzählte, wie es Heinersdorfer Blasmusiker unmittelbar nach dem 9. November über den ersten geöffneten Grenzübergang in Eisfeld nach Welitsch schafften und mit dortigen Musikern ihre eigene Grenzöffnung ausmachten. Tatsächlich seien dann von beiden Seiten Musiker zur Grenze gezogen - die Heinersdorfer anfangs etwas verhaltener - und hätten den DDR-Grenzoffizier solange bedrängt, bis er den Schlüssel holte. An das damalige Glücksgefühl, nicht mehr voneinander abgeschottet zu sein, kann sich auch Stefan Heinlein erinnern – obwohl er erst acht Jahre alt war. Damals ging es auch recht unkompliziert zu. Zwischenden beiden Dörfern gab es nie einen offiziellen Grenzüber-
gang, wohl aber noch eine staatliche Grenze. Die Masse der Menschen, die von hüben nach drüben und von drüben nach
hüben wollte, musste anfangs noch Papiere vorzeigen. Damit es im Herbst/Winter an der Stelle erträglich wurde, brachte der
bayerische Zoll kurzerhand zwei Zollhäuschen - eines für die bundesdeutsche Hoheit, eines für die der DDR. Dazwischen
stand das Fahrzeug der DDR-Grenzer, der Trabant-Kübel…
Heute ist in den Bauten eine sehenswerte Dokumentation untergebracht.
„Wir sind derzeit 38 Mitglieder im Verein, meist ältere. Es wäre wichtig, wenn sich auch mehr Jüngere für das Thema
interessierten“, sagte Enzo Bacigalupo, der Vereinsvorsitzende, und regt zum Beispiel an, dass Lehrer mit ihren Schülern
kämen - Heimatgeschichte zum Anfassen sozusagen .Bei Stefan Heinlein rennt er da offene Türen ein. „Ich war selber
schon mal mit zwei Klassen hier. Unter den Besuchern zum Denkmaltag hab‘ ich auch einen Lehrer gesehen. Wir müssen
noch mehr auf die Leute zugehen“, meint dieser. Für Ende des Monats hat sich übrigens schon eine Gemein-
schaft von Zollbeamten aus Bayern angemeldet.